Bedeutung, Chancen und Herausforderungen für die Sprachmittlungsbranche
Was ist das GDolmG?
Das Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) regelt bundesweit die Voraussetzungen für die allgemeine Beeidigung von gerichtlichen Dolmetscher:innen und damit einhergehend die Standards für Sprachmittlung im Justizwesen.
Darin sind in § 3 u.a. die Voraussetzungen für eine Beeidigung festgelegt. § 7 GDolmG bestimmt, dass eine allgemeine Beeidigung zunächst auf fünf Jahre befristet ist. Eine Verlängerung um jeweils weitere fünf Jahre ist möglich, sofern die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind und entsprechende Nachweise erbracht werden.
Das GDolmG trat ursprünglich mit Wirkung zum 1. Januar 2023 in Kraft.
Hintergrund: Worum geht es beim GDolmG?
Das GDolmG reguliert die Voraussetzungen für die allgemeine Beeidigung von gerichtlichen Dolmetscher:innen auf Bundesebene. Ziel war es, die bisher länderspezifischen Regelungen zu vereinheitlichen und Mindeststandards für Qualität und Qualifikation festzulegen.
Eigentlich sollte mit dem Inkrafttreten des GDolmG eine neue Rechtslage gelten, die eine allgemeine Beeidigung nach landesrechtlichen Regelungen ablösen und die Beeidigung an bundesweit einheitliche Voraussetzungen knüpfen würde.
Allerdings zeichneten sich von Anfang an Engpässe und strukturelle Probleme ab, insbesondere bei der Kapazität der staatlichen Prüfungsämter, eine große Zahl bisher unbefristet nach Landesrecht beeidigter Dolmetscher:innen neu zu prüfen.
Aktuelle Entwicklung: Verlängerte Übergangsfrist bis 31. Dezember 2027
Am 13. November 2025 hat der Deutscher Bundestag mit Stimmen von CDU/CSU, SPD und Die Linke beschlossen, die Übergangsfrist für die bisherige allgemeine Beeidigung nach Landesrecht erneut zu verlängern, und zwar bis einschließlich 31. Dezember 2027.
Konkret bedeutet das:
- Dolmetscher:innen, die bislang auf Basis landesrechtlicher Beeidigungen tätig waren, können diese noch bis Ende 2027 weiterhin nutzen (Ausnahme: NRW – hier waren Beeidigungen schon vorher zeitlich begrenzt).
- Die geplante vollständige Umstellung auf bundesweite Beeidigungsregeln nach dem GDolmG soll dann ab dem 1. Januar 2028 greifen – dann wird eine Beeidigung nach Landesrecht nicht mehr möglich sein.
Der Hintergrund dieser erneuten Verschiebung liegt laut Entscheidung u.a. in der weiterhin unzureichenden Kapazität der Prüfungsämter: Es sei derzeit nicht möglich, für die rund 25.058 bisher unbefristet (landesrechtlich) beeidigten Gerichtsdolmetscher:innen binnen angemessener Zeit Prüfungen und Neuzulassungen durchzuführen.
Verbände hatten den Mangel an Prüfungsressourcen schon früh beklagt und vor drohender Rechtsunsicherheit gewarnt.
Weitere Änderungen im Rahmen des neuen Gesetzes (u.a. E-Akten / Erweiterung)
Parallel zur Verlängerung der Übergangsfrist wurde im Rahmen des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz (E-Akte) eine Änderung der Vorschriften verabschiedet, die auch das GDolmG betrifft.
Wesentliche Punkte:
- Die allgemeine Beeidigung nach Landesrecht bleibt bis 31. Dezember 2027 möglich.
- Mit Inkrafttreten der Neuregelung soll der Anwendungsbereich des GDolmG auf gebärdensprachliche Dolmetscher:innen ausgeweitet werden.
- Der Entwurf sieht jedoch nicht vor, einschlägige Hochschulabschlüsse als alternatives Zulassungskriterium zur Prüfung für die allgemeine Beeidigung anzuerkennen – ein Wunsch, den der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e. V. (BDÜ) vertreten hatte.
Der BDÜ begrüßt ausdrücklich die Ausweitung des GDolmG auf Gebärdensprachdolmetscher:innen und die verlängerte Übergangsfrist als pragmatische Lösung angesichts der aktuellen Engpässe, kritisiert aber, dass eine langfristige strukturelle Lösung damit nicht geschaffen sei.
Bedeutung für Übersetzungsbüros und Dolmetschdienstleister
Für Übersetzungsbüros und Dolmetscher:innen bedeutet die verlängerte Übergangsfrist bis Ende 2027 zunächst eine gewisse Stabilität: Wer bisher auf Grundlage einer nach Landesrecht erteilten allgemeinen Beeidigung tätig war, kann diese weiterhin nutzen – zumindest bis 2027.
Dennoch bleibt unklar, wie und wann Prüfungen und Neuzulassungen tatsächlich in der Breite erfolgen werden – insbesondere für seltener gefragte Sprachen oder Fachrichtungen (z. B. Kurdisch, Arabisch, seltene Sprachen) sowie für Gebärdensprachdolmetscher:innen. Der bestehende Prüfungsstau und der Mangel an Kapazitäten werfen Zweifel auf die planbare Zukunft vieler Kolleg:innen. Vor allem bei älteren Kolleg:innen ziehen viele einen früheren Ruhestand entsprechendem Prüfungsaufwand vor und die Zahl qualifizierter Dolmetscher:innen wird in den kommenden Jahren massiv zurückgehen – ein Fachkräftemangel mit Ansage.
Für Übersetzungsbüros bedeutet das, dass bei der Organisation von Terminen im Standesamt, Notariat oder Gericht weiterhin geprüft werden muss, ob die eingesetzten Dolmetscher:innen noch eine gültige Beeidigung haben. Außerdem empfiehlt es sich, auf Dolmetscher:innen mit bereits erfolgreicher GDolmG-Prüfung zu setzen oder zumindest frühzeitig auf Beeidigungsstatus und Anerkennung nach GDolmG zu achten.
Bedeutung für freiberufliche Dolmetscher:innen
Auch für Dolmetscher:innen hat die verlängerte Übergangsfrist große Relevanz. Sie verschafft ihnen mehr Zeit, sich auf die neuen Prüfungsanforderungen vorzubereiten, ohne dass ihre bisherige Tätigkeit abrupt eingeschränkt würde.
Gleichzeitig bleibt die Unsicherheit bestehen, ob die Prüfungsämter ihre Kapazitäten tatsächlich bis 2027 ausreichend ausbauen können, denn Zweifel sind angebracht. Zudem empfinden viele Fachkräfte den fehlenden Bestandsschutz und die weiterhin verpflichtende staatliche Prüfung als Belastung.
Besonders betroffen sind Dolmetscher:innen seltener Sprachen, für die Prüfungsangebote oft nur unzureichend vorhanden sind. Insbesondere Dolmetscher:innen, die für mehrere Sprachen beeidigt sind, erwägen aktiv, die Neubeeidigung einer oder mehrerer Sprachen aufzugeben, bei denen der Prüfungsaufwand den Nutzen überwiegt.
Vorteile der verlängerten Übergangsfrist
- Standesämter, Notariate und die Justiz beliben handlungsfähig, weil qualifizierte Dolmetscher:innen weiterhin eingesetzt werden können.
- Bestehende landesrechtliche Beeidigungen behalten ihre Gültigkeit und bieten Planungssicherheit.
- Dolmetscher:innen erhalten zusätzliche Zeit, um sich auf die neuen bundesweiten Prüfungen vorzubereiten.
- Übersetzungsbüros und Dienstleister können ihre Auftragsstrukturen ohne kurzfristige Umstellung fortführen.
- Die Erweiterung des GDolmG auf Gebärdensprachdolmetscher:innen und schafft mehr Inklusion.
Nachteile und verbleibende Herausforderungen
- Die Verlängerung der Übergangsfrist ist ein Zugeständnis an Dolmetscher:innen – jedoch ohne echten Bestandsschutz für bereits beeidigte Dolmetscher:innen.
- Dolmetscher:innen in NRW, deren Beeidigung bereits abgelaufen ist, kämpfen bereits jetzt damit, ihre verlorene Beeidigung gemäß neuer Voraussetzungen wiederzuerlangen.
- Die Prüfungsämter verfügen nach wie vor über unzureichende Kapazitäten. Jedoch gibt es bislang keine belastbaren Aussagen, ab wann und mit welchem Umfang diese Kapazitäten erhöht werden. Die Gefahr eines erneuten Reformstaus bleibt bestehen, wenn keine strukturellen Anpassungen erfolgen. Es besteht anhaltende Unsicherheit darüber, ob Prüfungen bis 2027 tatsächlich flächendeckend angeboten werden.
- Die in der Vergangenheit von Verbänden geforderte Anerkennung einschlägiger Hochschulabschlüsse als Alternative zur Prüfung wurde nicht übernommen. Das heißt: Für die allgemeine Beeidigung bleibt auch langfristig eine (zusätzliche) Dolmetschprüfung nötig.
- Zwar wird der Anwendungsbereich künftig auf Gebärdensprachdolmetscher:innen ausgeweitet – unklar bleibt jedoch, wie schnell und mit welchen Rahmenbedingungen diese Einbeziehung erfolgt, und ob damit ausreichende Qualifikations- und Prüfungskapazitäten einhergehen.
Fazit und Ausblick
Die Entscheidung des Deutschen Bundestags, die Übergangsfrist für allgemeine Beeidigungen nach Landesrecht bis 31. Dezember 2027 zu verlängern, bringt für viele Dolmetscher:innen und Übersetzungsdienste eine zeitliche Entlastung – und damit kurzfristige Planungssicherheit. Gleichzeitig verdeutlicht sie die strukturellen Probleme des GDolmG: Prüfungsstau, fehlende Kapazitäten und – trotz Versprechen – bislang unzureichende Integration bestimmter Gruppen wie Gebärdensprachdolmetscher:innen.
Langfristig bleibt abzuwarten, ob die angedachten Änderungen – insbesondere die Ausweitung auf Gebärdensprachdolmetscher:innen und eventuell künftige Erweiterungen der Anerkennungsmöglichkeiten – umgesetzt werden und ob die Prüfungsinfrastruktur tatsächlich ausgebaut wird. Für die Branche wäre das ein wichtiger Schritt zu mehr Planungssicherheit und geregelter Qualität.
Für viele Dolmetschende bedeutet die Verlängerung eine wichtige Atempause. Sie erhalten mehr Zeit für die berufliche und fachliche Vorbereitung und können weiterhin rechtssicher in Gerichtsverfahren tätig sein. Gleichzeitig bleibt die Unsicherheit bestehen, wie sich die Prüfungslandschaft bis 2027 entwickeln wird. Ohne ausreichende Kapazitäten besteht die Gefahr erneut verschobener Fristen oder beruflicher Einschränkungen. Viele Fachkräfte hoffen daher auf klare, verlässliche Strukturen und eine bessere Anerkennung ihrer bestehenden Qualifikation.
GDolmG: Übergangsfrist bis 2027 verlängert

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