Gesetz zur Reformierung des Strafrechts:
Auswirkung auf Justiz-Dolmetscher
Bei der Erwähnung von Scheckkarten mag so manch einer stirnrunzelnd das Handy zücken, um den Begriff zu googeln. Ja, diese gibt es nicht mehr. Doch der Missbrauch derselben wird noch im Strafgesetzbuch (StGB) im Jahr 2019 als strafrechtlicher Tatbestand aufgeführt, ebenso wie die Verschleppung in die DDR. Ende 2019 sollen längst veraltete und überflüssig gewordene Sachverhalte wie diese mit dem Gesetz zur Reformierung des Strafrechts aus dem Strafgesetzbuch verschwinden. Der Bundestag verabschiedete das Gesetz zur Moralisierung des Strafrechts.

Gerichtsdolmetschergesetz - GDolmG
Die Gesetzesreform regelt unter anderem auch die allgemeine Beeidigung von Gerichtsdolmetschern neu. Im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 46 wurde am 12.12.2019 das neue Gerichtsdolmetschergesetz veröffentlicht.
Was ändert sich?
Das neue Gesetz sieht vor, dass die derzeitig je nach Bundesland unterschiedlichen Voraussetzungen für die Beeidigung von Gerichtsdolmetschern auf Bundesebene vereinheitlicht werden. Dabei wurden die Voraussetzungen in Bezug auf die fachliche Eignung von Gerichtsdolmetschern für eine allgemeine Beeidigung neu festgelegt.
Unter Art. 6 des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens wurde das neue Gesetz über die allgemeine Beeidigung von gerichtlichen Dolmetschern (Gerichtsdolmetschergesetz – GDolmG) veröffentlicht. Gemäß § 3 Abs. 2 des GDolmG „Antrag auf allgemeine Beeidigung“ werden die erforderlichen Voraussetzungen neu definiert, die anders als bisher nun bundesweit gelten sollen und in allen Bundesländern gleich aussehen sollen.
Voraussetzungen
Über die Voraussetzungen für die allgemeine Beeidigung verfügen Personen, die unter anderem eine Dolmetscherprüfung eines staatlichen oder staatlich anerkannten Prüfungsamtes oder einer Hochschule im Inland abgelegt und bestanden haben oder eine in Deutschland gleichwertig geltende Dolmetscherprüfung im Ausland abgelegt haben. Sollten diese zwei Kriterien nicht erfüllt werden, können gemäß § 4 GDolmG folgende alternative Befähigungsnachweise eingereicht und für eine Entscheidung herangezogen werden können:
- Eine Urkunde über ein erfolgreich abgeschlossenes Sprachstudium an einer anerkannten Hochschule im Ausland. Es ist hierbei nicht erforderlich, dass der Abschluss in Deutschland anerkannt wird.
- Ein staatlich anerkanntes C2-Sprachzertifikat des Europäischen Referenzrahmens.
- Ein Abiturzeugnis oder ein Zeugnis eines vergleichbaren Abschlusses des Heimatlandes.
- Ein IHK-Zeugnis über den erfolgreichen Fortbildungsabschluss als geprüfte/r Übersetzer/in oder geprüfte/r Dolmetscher/in.
Im Zweifelsfall ist ein Eignungstest erforderlich.
Befristung der allgemeinen Beedigung
Gemäß § 7 GDolmG ist außerdem eine Befristung der allgemeinen Beeidigung vorgesehen. Diese beträgt fünf Jahre. Gerichtsdolmetscher/innen können jedoch eine Verlängerung um weitere fünf Jahre beantragen, wenn die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind.
Für die Zuständigkeit der allgemeinen Beeidigung (§ 2 GDolmG) bleiben das Oberlandesgericht bzw. das Landgericht, in dessen Region der/die Dolmetscher/in seinen/ihren Wohnsitz oder seine/ihre Niederlassung hat. In Berlin ist weiterhin das Kammergericht zuständig.
Rezeption
Die Meinungen unter Dolmetscherinnen und Dolmetschern zur neuen Gesetzgebung sind durchaus gespalten. Einerseits sind Berufsbezeichnungen wie „Dolmetscher“ und „Sprachmittler“ keine geschützten Begriffe. Das bedeutet, dass sich grundsätzlich jeder als solcher bezeichnen kann. Anders dagegen der Begriff „Gerichtsdolmetscher“, welcher nun geschützt und mit eindeutigen Qualifikationsnachweisen verbunden ist. Dadurch wird ein wichtiger Schritt in Richtung einheitlicher Qualitätsstandards getan, was sicherstellen soll, dass Qualität der Sprachmittlung im Justizwesen sich verbessert.
Auch kommt es durch einheitliche Prüfungsvoraussetzungen weniger zu „Prüfungstourismus“ – wenn etwa in manchen Bundesländern Prüfungen als einfacher gelten oder bestimmte Nachweise anerkannt werden, die in anderen Bundesländern nicht ausreichend sind.
Bemängelt wird aber unter anderem der fehlende Bestandsschutz für erfahrene Kolleginnen und Kollegen, die mitunter seit Jahrzehnten erfolgreich für die Justiz dolmetschen. Diese sind nun davon bedroht, ihre Beeidigung zu verlieren, da sie nie eine Prüfung abgelegt haben. Insbesondere ältere Kolleginnen und Kollegen, die seltene Sprachen mit wenig Bedarf sprechen oder nur nebenberuflich dolmetschen, tendieren dazu, das Dolmetschen aufzugeben, da ihnen eine Neubeeidigung und Prüfung zu viel Aufwand bedeutet. Auch bei Kolleginnen und Kollegen, die mehrere Sprachen sprechen und für solche beeidigt sind – etwa Bosnisch, Kroatisch, Montenegrinisch und Serbisch – ist die Überlegung groß, sich nur noch für die Hauptsprache zu beeidigen und sich die nötige Zeit und Prüfungsgebühren zu sparen.
Da in manchen Bundesländern Beeidigungen schon immer zeitlich befristet waren, haben zahlreiche Dolmetscherinnen und Dolmetscher ihre Beeidigungen bereits verloren und sehen momentan entweder keine Möglichkeit oder keinen Bedarf, diese wieder zu beantragen. Eine Übergangsfrist gilt für diese leider nicht, während für Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern noch eine gewisse Schonfrist gilt.
Zukünftig wird wohl ein großer Fachkräftemangel auf den Bereich des Fachdolmetschens zukommen, wenn eine ganze Welle an Beeidigungsverlusten auf die Welt des Gerichtsdolmetschens hereinbricht. Dies wird für viele einen früheren Ruhestand bedeuten und gleichzeitig die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit von qualifizierten Dolmetscherinnen und Dolmetschern erschweren. Es ist deshalb kein Zufall, dass der Berufsverband der Assoziierten Dolmetscher und Übersetzer in Norddeutschland e.V. (ADÜ Nord) Klage gegen das GDolmG eingelegt hat. Es bleibt abzuwarten, wie der Prozess nach Nichtannahmebeschluss durch das Bundesverfassungsgericht weitergehen und ob das Gesetz in seiner jetzigen Form Bestand haben wird.
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Das neue Gerichtsdolmetschergesetz GDolmG tritt am 01.07.2021 endgültig in Kraft.